Andreas Felger, ohne Titel, 2006
Aquarell auf Papier, 37,5 x 27,5 cm © AFKS
Ohne Titel
2006
Aquarell auf Papier
37,5 x 27,5 cm

Wie ist mir so weh!
Mein Herz pocht mir im Leibe
und ich habe keine Ruhe;
denn ich höre der Posaune Hall,
den Lärm der Feldschlacht;

Jeremia 4,19
(Lutherbibel, revidierte Fassung 1984)

Wir sehen im Bild als dem Ergebnis des Malprozesses von der obersten Farbebene bis auf das Papier als Bildträger hindurch, in einem metaphorischen Sinn aber aus der aufgebrochenen Dunkelheit in den unteren Schichten hinauf zu den obersten Lagen, über denen nur noch Helligkeit und Leuchtkraft herrschen.

(…)

Ein tragendes Merkmal ist das Verhältnis von Verdichtung und Auflösung, von Verdunklung und Aufhellung, das – je nachdem wie man das Bild liest – von oben nach unten oder von unten nach oben wirksam wird. Man bemerkt kaum, dass man nicht mehr nur von außen schaut, sondern selbst schon mitten im Bildgeschehen ist und es beim Durchsteigen seines Gefüges am eigenen Leib erfährt. Wach nimmt man so die dichten Strukturen als eine Art Vergitterung wahr, man assoziiert sie als Verstrickung, man denkt an ein Dickicht und an dessen Durchdringung, man glaubt, in den schwarzen Farben Bedrohung und in den gelben Erleichterung zu spüren, man mag auch an loderndes Feuer und zerbrochene Davidsterne denken und man erahnt die Gefahren in einem Labyrinth. Das Bild ist freilich keine Programm-Malerei und keine wörtliche Illustration, es ist ein autonomes Kunstwerk, das in Anlehnung an die Worte des Propheten Jeremia in einem offensichtlich vehementen Malprozess entstanden ist.

(…)

Vielleicht zeugt nichts anderes so sehr von Hoffnung wie die Metapher des siegreichen Lichts, das auch in den Wirren, Problemen und Ängsten des Alltags immer wieder durchdringt. In ihm bündelt sich die Aufforderung zur Lebensbejahung ebenso wie der Wunsch, dass es uns in der Ewigkeit leuchte. Ein Bild wie dieses kann uns im Kontext der Bibel diese Botschaft auf eindringliche wie unaufdringliche Weise – im wahrsten Sinne des Wortes – erhellen.

Text von Frank Günter Zehnder

Prof. Dr. Frank Günter Zehnder, *1938 in Wuppertal-Barmen. 1973–96 am Wallraf-Richartz-Museum Köln tätig; zuletzt Abteilungsleiter Mittelalter und Geschäftsführer des Fördervereins, ab 1991 Honorarprofessor für Kunstgeschichte und Museologie an der Universität Bonn, 1996 Berufung zum Direktor des Rheinischen Landesmuseums Bonn. Seit 2005 im Ruhestand.

Textausschnitt aus: Frank Günter Zehnder, Lebensbejahung inmitten der Gefahr, in: Norbert Lammert (Hg.), So sehe ich die Bibel. Persönliche Einblicke in das Buch der Bücher, mit Aquarellen von Andreas Felger, Gnadenthal 2008, S. 55–57.