Die Online-Galerie ZEITSPRUNG nutzt eine der Entdeckungen dieser Reise, die kaum handtellergroßen Tinten-Zeichnungen auf Papier aus den frühen 1960er Jahren, um sie – 60 Jahre überspringend – aktuellen Acryl-Bildern von 2023 gegenüberzustellen. Erstere entstanden wenige Jahre nach Felgers Studium an der Münchener Akademie und zeugen von seiner ebenso akribisch wie phantasievoll durchgeführten Zeichenkunst. Vom Surrealismus inspiriert changieren die Figurationen zwischen Pflanzen, Tieren und Wesen, die keine Namen tragen. Auch die Übergänge zu Landschaft, Architektur, Objekt und mechanischer Apparatur entziehen sich der Bezeichnung und bilden eine eigene Welt, die vor allem von der Variationsbreite der Linien, der Freiheit der Assoziationen und dem Spiel mit den Blattgrenzen lebt. Die Blätter bezeugen bei aller gegenständlich anmutenden Plastizität der Formen zugleich das Vergnügen am Experimentieren mit dem Material, dessen Bildwerdung der Künstler aus dem Herstellungsprozess entwickelte und der Betrachter noch heute nachvollziehen kann, wenn er sich mit den Augen im feinen Gewebe der Linien verstrickt.
Gut 60 Jahre später hat sich das Verhältnis von Material und Form, von Abstraktion und Figuration umgekehrt: Waren die frühen Arbeiten Figurationen, die allerorten ins Ungegenständliche, zumindest Undefinierbare drängten, vertraut Andreas Felger in den aktuellen Werken vor allem auf das Material als solches und erprobt seine Möglichkeiten. Rinnende Farben, durchscheinende Flächen, Flecken mit Rahmungen, die sich wie abstrahierte Blätter von Bäumen im Bildraum zu bewegen scheinen, lassen den Beschauer schwanken zwischen dem Blick auf die Eigendynamik und Schönheit des Farbmaterials und zugleich auf die Assoziationsspielräume, die vor allem an Naturphänomene denken lassen, unter Wasser lebende Kreaturen, Spinnennetze, pflanzliche Strukturen, Wolkenkonstellationen … In beiden Werkgruppen zeigt sich ein Kosmos belebter Strukturen, in dem die Expressivität des Materials und die Suggestivität der Formgebung zu einem Dritten verbunden werden, das uns Andreas Felgers Bildsprache auch nach sechs Jahrzehnten wiedererkennen lässt.