Die erste Serie (Corona I-XXI), die im März und April entstand, bezieht sich auf typisch menschliche Reaktionsmuster auf die Existenz des tödlichen Virus. Von anfänglicher Überheblichkeit und geselliger Verdrängung (Stichwort: Corona-Partys) der Expertenratschläge, über die Ängste bei unerwarteter Erkrankung bis hin zur Trauer bei Todesfällen zeigt der Künstler das breite Spektrum menschlichen Verhaltens angesichts der wachsenden Bedrohung durch das Virus und wie es das gesellschaftliche und individuelle Leben zunehmend einschränkend beherrscht.
Es sind verstörende Motive, weil sich einerseits in den durchweg farbintensiven und farbexpressiven Sujets das für viele von uns gewohnte pralle, reiche und sozialvernetzte Leben westlicher Couleur spiegelt und anderseits der schleichende Zersetzungsprozess durch das tödliche Virus allmählich sichtbar wird. In eklatantem Gegensatz zu diesen düsteren Darstellungen steht das neunte und letzte Aquarell der Reihe, Corona IX. Über einer Landschaft mit blauen Bergen, grünen Wäldern, rötlich-braunen Felder schweben an einem violettfarbenen Himmel überdimensioniert groß fünf Coronaviren wie Sterne.
Das Virus, das für die menschliche Existenz eine Bedrohung darstellt, scheint für die Natur als Segen sich auszuwirken. Berge erwachen, Fauna und Flora blühen auf, der Himmel wird klarer, Flüsse, Bäche und das Grundwasser erholen sich von den Belastungen des Abwassers und Mülls, kurzum: Die Erde atmet auf.
Angesichts nie zuvor dagewesener Naturzerstörung, Überbevölkerung und industriell gesteuerter Lebensmittelproduktion ist es dafür höchste Zeit. Der ‚Fortschritt‘ stagniert, der Mensch pausiert und vielleicht nutzt er die Chance, über seine Verantwortlichkeit für die Erde nachzusinnen.
In seiner zweiten CORONA Serie (CORONA XXII-XXVIII), die im Mai 2020 entstand, rückt Andreas Felger diesen nachdenklichen Aspekt in den Vordergrund. Die ausschließlich abstrakten Bilder, mit denen er an die Abstraktion seiner Malerei der vergangenen Jahre anknüpft, fallen nicht nur mit ihrer intensiven Farbigkeit und ihren prägnanten Mustern in die Augen der Betrachter*innen, sie laden diese zugleich ein, in die Offenheit ihrer Deutungsräume einzutauchen und nachzusinnen, was in dieser Stunde geboten ist.